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Schmerzen sind normal und gut!

Solltest du zu den Menschen gehören, die langanhaltende Schmerzen haben, wird sich die Aussage wahrscheinlich provokant anhören.

Nachdem was du schon alles getan, verändert und ausprobiert hast, fällt es dir schwer, dir vorzustellen, dass deine Schmerzen irgendeinen sinnvollen Zweck erfüllen, richtig? Und doch ist es so!

Schmerzen beschützen uns z.B. vor weiteren oder stärkeren Verletzungen, sie warnen uns vor Gefahren und sie fordern uns zur Veränderung auf, wenn wir beispielsweise zu lange in einer ungesunden Haltung verharren oder wenn der Stress zu groß wird. Aus diesen Gründen müssen Schmerzen unangenehm und beeinträchtigend sein: Sie zwingen uns dazu, inne zu halten, uns mit dem bestehenden Problem auseinanderzusetzen und aktiv etwas dagegen zu tun. Die rote Lampe im Display leuchtet so lange, bis das Problem behoben ist. Das kann unter Umständen bedeuten, dass man auf die Suche gehen muss.

Schmerzen entstehen im Gehirn
Bei einer akuten Verletzung werden Signale vom geschädigten Gewebe an das Gehirn gesendet. Das Gehirn bewertet die Situation und erkennt eine Gefahrensituation. Daraufhin beschließt es aktiv zu werden und sendet Schmerz, um entsprechende Verhaltensmaßnahmen zu provozieren. Der betroffene Bereich wird z.B. durch die Schmerzen ruhig gestellt und weitere Gewebsverletzungen somit ausgeschlossen. Gleichzeitig werden heilungsfördernde Maßnahmen eingeleitet. Jede Schmerzerfahrung ist also eine normale Reaktion des Gehirns auf eine Bedrohung. Soweit so gut.

Nicht jede Verletzung tut aber gleich weh. Verletzte Soldaten berichten davon, dass sie keine Schmerzen spürten als sie angeschossen wurden. Es kommt vor, dass professionelle Fußballspieler trotz einer größeren Verletzung weiterspielen, während man vor Schmerzen fast bewegungsunfähig wird, wenn man sich den Fuß am Tischbein anstößt. Schmerzen werden vom Gehirn unterschiedlich bewertet: Lässt die Situation es gerade zu, mich mit dem Schmerz zu beschäftigen oder ist die Situationsbewältigung wichtiger, sodass die Schmerzreaktion ausbleibt?

Schmerzen müssen immer im individuellen Kontext betrachtet werden
Über das akute „Schmerzverfahren“ hinaus, speichert das Gehirn die Situation auch noch ab, um ähnlichem Verhalten in der Zukunft vorzubeugen. Je nach Bedrohungslage werden zusätzlich starke Emotionen und Gefühle integriert, die ebenfalls abgespeichert und bei ähnlichen Situationen abgerufen werden. Es soll uns davor beschützen die gleichen „Dummheiten“ noch einmal zu wiederholen. Eigentlich sehr sinnvoll. Werden ähnliche Schmerzerfahrungen jedoch häufiger erlebt, entsteht ein sogenanntes „Schmerzgedächtnis“. Das Gehirn vergleicht den akuten Schmerz mit gespeicherten Schmerzerfahrungen und nimmt daraufhin eine Bewertung vor. Unser Verhalten und unsere Reaktionen auf Schmerz haben also Konsequenzen, die sich nicht nur auf das akute Schmerzempfinden auswirken, sondern auch die Auftrittswahrscheinlichkeit beeinflussen.

Die Bewertung der Schmerzsituation vom Gehirn ist demnach komplex, in die viele Faktoren einbezogen werden:
die körperliche Schädigung wie z.B. den Grad der Gewebeschädigung.
der emotionalen Bezug zum geschädigten Körperteil (ein Gitarrist bewertet eine Fingerverletzung als durchaus bedrohlicher, als ein Fußballspieler).
der historische Kontext (habe ich eine ähnliche Situation schon mal erlebt und wie verlief es damals)
– die Verstandesebene (die aktuelle Bedrohung durch ein mögliches Schmerzsignal).
der funktionale Aspekt von Schmerzen (Schmerzen können einen funktionellen Zweck haben, wenn man dadurch z.B. mehr Aufmerksamkeit bekommt).
– uvm.

Schmerzen entstehen, wenn dein Gehirn entscheidet, dass du in Gefahr bist
Um schmerzfrei zu werden, gilt es all diese Aspekte mit zu berücksichtigen. Schmerzen sind so viel komplexer als es oft kommuniziert wird. Neben „normalen“ Gewebeveränderungen nach einem Schnitt in den Finger oder einem verstauchten Fuß, spielen immer auch die Gedanken und Gefühle eine Rolle. Gerade bei chronischen Schmerzen (Schmerzen, die 3-6 Monate und darüber hinaus anhalten) ist die Vorgehensweise, mal eben ein strukturelles Problem zu behandeln, indem man operiert, spritzt oder stilllegt, zu kurz gedacht. Mir ist wichtig, dass du verstehst, dass Schmerzen (egal ob akute oder chronische) entstehen, weil das Gehirn entschieden hat, dass du dich in einer Gefahrensituation befindest.

Um Schmerzfreiheit zu erlangen, gilt es herauszufinden, warum sich das Gehirn bedroht fühlt.

In der Zusammenarbeit mit meinen Klienten/innen schaue ich mir immer den ganzen Menschen an, der vor mir steht. Die Lösung für die Schmerzthematik, die er oder sie mitbringt, ist in den meisten Fällen nicht dort zu finden wo es weh tut.

Welche Erfahrungen hast du bisher in der Schmerztherapie gemacht? Wie seid ihr vorgegangen und welche Erfolge hattest du mit der entsprechenden Therapie? Schreibe mir gerne in die Kommentare und erzähle mir davon.

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